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Ein Weg voller Hoffnung

von Annette Büttel28.01.2025

Ende des Jahres feierten wir gemeinsam mit zwei Studentinnen aus unserem Mujeres de Oro-Programm den Abschluss ihres Studiums. Beide haben jetzt im Januar 2025 bei casayohana in verschiedenen Bereichen angefangen zu arbeiten. Elisabeth und Luz-Ma haben jeweils ihre ganz eigene bewegende Geschichte, wie sie bei casayohana und Mujeres de Oro gelandet sind.

Hier möchten wir euch mit hineinnehmen in die hoffnungsvolle Geschichte von Luz-Ma und ihrem Sohn Yoshi. Lasst euch davon inspirieren, wie Hoffnung und Unterstützung das Leben dieser jungen Mutter und das ihres Sohnes verändert haben.  

Ein langer Weg, der hinter uns liegt

Luz-Ma erzählt: Ich stehe gemeinsam mit meinen Mitabsolventinnen auf der Bühne und warte aufgeregt darauf, dass mir mein Abschlussdokument überreicht wird. Während der Reden sehe ich immer wieder unten ins Publikum, wo mein Sohn Yoshi mit all seiner Energie versucht, Bine, Maria und Marta zu entwischen, um zu mir zu gelangen. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht und ich denke an den langen Weg, der hinter uns beiden liegt. An die vielen schwierigen Momente und Herausforderungen. Aber auch an die Freude und das Lachen. Und daran, dass ich zu Beginn überhaupt nicht wusste, ob dieses heute so fröhliche Kerlchen überhaupt überleben würde. 

Im Krankenhaus: Verzweiflung

Ich erinnere mich daran, wie ich zu Beginn echt verzweifelt war. Ich war ziemlich jung und wusste nicht, was ich tun sollte. Mein Sohn war als Frühchen mit körperlicher Behinderung auf die Welt gekommen. Durch Krämpfe und Sauerstoffmangel stark beeinträchtigt wusste niemand, ob und wie viel er sehen konnte. Niemand konnte sagen, welche Gehirnfunktionen noch intakt waren. Auch war unklar, ob er mit den starken Klumpfüßen jemals würde laufen können. Ich weiß noch genau, dass ich am liebsten abhauen und Yoshi dort im Krankenhaus lassen wollte. Ich hatte doch keine Ahnung, wie ich jemals für diesen kleinen Menschen sorgen sollte. 

Ein Hoffnungsschimmer

In den ersten Tagen im Krankenhaus erzählte mir eine der Krankenschwestern von einem Ort der Hilfe in Andahuaylas, etwa 14h von meiner Heimat Puno entfernt. Sie machte mir Hoffnung, dass meine Lage nicht so aussichtslos war, wie ich glaubte. An diesem Ort würde ich Hilfe für meinen Sohn bekommen. Ohne, dass ich dafür Geld bräuchte, wie das an so vielen anderen Orten der Fall war. Ich war hin- und hergerissen, denn ich liebe meine Heimat. Aber ich spürte, dass ich hier nicht die Hilfe bekommen würde, die wir benötigten. Außerdem konnte ich nicht wirklich glauben, dass ich dort in Andahuaylas wirklich kostenlose Hilfe und Versorgung bekommen würde. Nach meinen bisherigen Erfahrungen wollten andere Menschen und Organisationen immer etwas haben, damit sie sich um einen kümmerten. 

Das Wagnis: auf ins Ungewisse 

Die Gespräche mit der Schwester ließen in mir dennoch die Hoffnung neu keimen. Und so machte ich mich trotz meiner Zweifel auf den Weg nach Andahuaylas/Talavera auf den Campus casayohana. Und das erste Wunder geschah: Yoshi und ich - wir wurden aufgenommen in das Unterstützungsprogramm für junge Mütter und behinderte Kinder. In den ersten Wochen dachte ich immer wieder: nächstes Mal werde ich bestimmt nach Geld gefragt. Oder danach, ob ich irgendeine schlimme Aufgabe übernehme, damit mein Sohn weiter behandelt wird.

Vertrauen wächst langsam

Ganz langsam und mit der Zeit lernte ich, Vertrauen zu den Menschen von casayohana zu fassen. Ich durfte im Projekt Mujeres de Oro wohnen, ohne dort als Putzfrau oder in anderen untergeordneten Tätigkeiten arbeiten zu müssen. Außerdem lernte ich die Leiterin Bine und ihre Mitarbeiterin Megumy besser kennen und fing an, ihnen wirklich zu vertrauen. 

Unterstützung auch für Luz-Ma?

Mit dem Vertrauen fing auch die Hoffnung an, weiter in mir zu wachsen. Ich sah, wie meine Freundinnen bei Mujeres de Oro Unterstützung für ihre Ausbildung und Antworten auf ihre Lebensfragen erhielten. Und ich fragte mich, ob ich auf diese Art und Weise auch ein Studium beginnen und abschließen könnte. Doch die Zweifel waren noch immer da: Ist es nicht unverschämt nach Hilfe zu fragen, wenn mein Sohn schon mit so vielem versorgt wird? Die teuren Krampfmedikamente und der häufige Gipswechsel. Die Schienen, die er tragen musste ... Konnte ich da wirklich noch fragen, ob auch ich selbst Hilfe für meine Ausbildung bekomme?  

Irgendwann habe ich mich getraut, mit den anderen Mädels darüber zu reden. Sie haben mir Mut gemacht, einfach nachzufragen. Mein Herz hat wie wild geklopft, als ich nach der Zusage von Bine mit Martha zum Instituto, der staatlichen Bildungsbehörde in Andahuaylas, gegangen bin. Wir wollten schauen, was ich überhaupt machen könnte. Obwohl ich durch die frühe Schwangerschaft keinen richtigen Schulabschluss hatte, konnte ich schließlich eine Ausbildung im IT-Bereich beginnen. 

Zweifel, Kämpfe, Überforderung

In den zwei Jahren danach kämpfte ich immer wieder gegen die Angst, das alles nicht zu schaffen. All die Regeln zu befolgen, das Lernen für die Ausbildung, Yoshi zu versorgen -besonders mit seinen Krampfmedikamenten- all das war mir oft viel zu viel. Immer wieder hatte ich ernste Gespräche mit Martha, Maria oder Bine, weil einiges nicht wirklich gut lief und ich so viele Fehler machte. Immer wieder wuchsen mir die Dinge über den Kopf.

Veränderung in mir: Selbstbewusstsein - ich bin wertvoll

Aber ich durfte lernen, dass diesen Menschen etwas an mir liegt. Ich habe verstanden, dass sie trotz allem hinter mir stehen und mich unterstützen. In den Lebensklassen von Mujeres de Oro lernte ich mich kennen, was ich kann und was meine Werte sind. Und mir wurde bewusst, dass ich für das, was mir wichtig ist, einstehen und kämpfen darf. 

Dass ich jetzt hier stehe nach zwei Jahren Ausbildung mit meinem lebenslustigen Yoshi, ist für mich so ein großes Geschenk. Und ich habe sogar schon eine Stelle: Schon in den zwei Jahren konnte ich einen Minijob bei casayohana übernehmen. Und jetzt nach dem Abschluss kann ich in der Administration bei casayohana meine erste richtige Stelle antreten.  

Die Erfahrung: Gott meint es unendlich gut mit mir!

Ich verstehe die Verzweiflung vieler Mütter hier, weil ich sie selbst oft erlebt habe. Ich vermisse Puno und meine Familie, aber ich weiß, dass ich für meinen Sohn nirgendwo sonst so eine gute Förderung und Versorgung bekommen kann. Und ich merke immer wieder, dass ich auch selbst weiter die Unterstützung von casayohana brauche. Hier habe ich Gott kennengelernt, erfahren, dass er mich liebt und gelernt ihn zu lieben. Ich weiß nicht, wo ich heute wäre, ohne all die Menschen, die mich zu casayohana und zu ihm geführt haben. Zuhause hätte ich das so nicht erlebt. Ich bin mir sicher, dass ich durch all das, was in den vergangenen Jahren passiert ist, heute so viel mehr feiern kann als „nur“ eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein Abschlussdokument.

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